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Kreistreffen "Neue Wege"

  Wir waren mit unserer Info-Ausstellung dabei

Kreistreffen "Neue Wege" am 6. Oktober 2000

Von Julia Reichert

Das erste Kreistreffen für bürgerschaftlich engagierte Frauen und Männer im Enzkreis begann für einige Teilnehmer schon mit den ersten Gesprächen beim kostenlosen Bustransfer von Pforzheim nach Neulingen-Bauschlott. Die Erwartungen an diesen Nachmittag waren für die Teilnehmer aus den verschiedensten Bereichen sehr vielschichtig. So ging es einerseits darum, andere Engagierte kennen zu lernen, zu erfahren, wie es ihnen im Alltag mit ihren Verpflichtungen ergeht oder andererseits einfache Neugier, was ein Kreistreffen so alles bietet. Das Landratsamt ermöglichte dieses Treffen und stellte das Kennenlernen und den Gedankenaustausch, aber auch die Anerkennung der Engagierten in den Vordergrund dieses Tages.

Während eines entspannten Auftakts bei Brezeln und Kaffee wurden anfangs vorsichtige, später immer tiefere und interessantere Gespräche unter den Teilnehmenden geführt. Diese kamen aus den verschiedensten Bereichen des Ehrenamts. Viele sind in der medizinischen und psychologisch-betreuenden Pflege von hilfebedürftigen Menschen beschäftigt oder im Kreisseniorenrat tätig. Andere engagieren sich für Jugendliche oder die Einrichtung von Jugendhäusern. Bürger, die sich für Umweltbereiche einsetzen oder in der Kirchenarbeit tätig sind, waren ebenso vertreten.

Der Begrüßungskaffee wurde von Patrick Loriot, der die Teilnehmer mit seiner Pantomime begeisterte und vor allem die Kinder faszinierte, und von Bernd Philippsen am Cembalo begleitet. In diesem angenehmen Rahmen konnten Fotos, Plakate und Stellwände angesehen werden. Beim Markt der Möglichkeiten stellten verschiedene Gruppen sehr schön gestaltete Berichte und Bildern ihrer ehrenamtlichen Arbeit vor und waren immer freundlich für Fragen und Anregungen offen.

In der lichtdurchfluteten Gräfin-Rhena-Halle begrüßte Landrat Werner Burckhart die Bürgerinnen und Bürger und betonte, wie wichtig das Ehrenamt sei. Es würde immer gebraucht werden, auch wenn es teilweise belächelt werde. Diese Veranstaltung solle allen die Möglichkeit bieten, Erfahrungen auszutauschen, da der Austausch eine wichtige Masche im gesamten Netzwerk sei.

Auch Bürgermeister Heinz Raißle aus Neulingen freute sich über die rege Teilnahme. Er berichtete über Neulingen und die Erfahrungen mit dem Projekt "Orte für Familien" des Kreis-Jugendamtes. Es bestehe ein großer Bedarf, da es einen deutlichen Bevölkerungszuwachs gebe. Eine Arbeitsgruppe trägt derzeit Informationen über Vereine, Initiativen und Projekte in Neulingen zusammen, um eine Infobroschüre herauszugeben. Es entwickle sich außerdem gerade die Idee, ein Dorf- und Familienzentrum zu gründen.

Impulse geben
Karl Röckinger, Jugend - und Sozialdezernent des Enzkreises dankte den Bürgern, dass sie einen großen Teil ihrer Freizeit der Gesellschaft zur Verfügung stellen. Mit ihnen habe der Enzkreis im Bereich des Bürgerschaftlichen Engagements einiges zu bieten und müsse sich auf keinen Fall verstecken. Es könne aber auch nicht schaden, einmal über den Tellerrand zu schauen - aus diesem Grund wurde Bürgermeister Guido Wolf aus Nürtingen zu dem Einführungsreferat eingeladen.

Die Keimzelle für Deutschlands bürgerorientierteste Kommune - der Bürgertreff Nürtingen
Guido Wolf sieht es als die größte Herausforderung, aber auch als Chance für die Kommunen, den Bürgern mehr Verantwortung zurückzugeben und sie für ehrenamtliche Projekte zu begeistern und zu gewinnen. Durch Bürgerschaftliches Engagement und Verwirklichen gemeinsamer Interessen könnte ein neues "Wir- Gefühl" entstehen. Dies soll auch dem Prozess entgegenwirken, dass die Bürger keine Beziehung mehr zu ihrer Stadt haben.

Dieses "Wir-Gefühl" und die Bereitschaft, für andere Verantwortung zu übernehmen, seien elementare Voraussetzungen auf dem Weg zu einem geeinten Europa, betonte Wolf. Sein Wunsch sei es, einen "neuen Bürgertyp" zu unterstützen, der nicht egoistisch, sondern solidarisch handelt. Die Kommunen seien aufgefordert, die Rahmenbedingungen für diesen neuen Bürgertyp zu schaffen.

Krückstock und Kinderwagen
Die Stadt Nürtingen hat diese Rahmenbedingungen geschaffen, indem sie das Konzept der Bürgerorientierung entwickelt hat und es im Alltag

lebendig und kreativ gestaltet. Der Bürgertreff Nürtingen, der an das Rathaus angegliedert ist, ist die Keimzelle. Hier handelt es sich um einen Ort der Begegnung, an dem alle Bürgerinnen ihre eigenen Fähigkeiten und ihre vielseitigen Ideen einbringen können. Alle Alters- und Interessengruppen von Mutter und Kind-, über Jugend- bis hin zu Seniorengruppen finden sich in dem Bürgertreff ein. Es sei erstaunlich, wie reibungslos und harmonisch alles abläuft: Es kommt zur Kommunikation zwischen den Generationen und dadurch entsteht ein Nährboden für Initiativen und Aktionen. Begünstigt durch die langen Öffnungszeiten und Größe von Nürtingen (ca. 40.000 Einwohner) finden sich immer Menschen, die neue Ideen mitbringen oder gemeinsam mit anderen entwickeln. Der Dialog zwischen Menschen unterschiedlicher Interessen ist auch zwischen den Bürgern, den Gemeinderäten und der Verwaltung der Stadt möglich, denn ohne ihn würde das Leitbild, dass das Rathaus ein Bürgerhaus sein soll, nicht funktionieren.

Beim Dämmerschoppen fragen Gemeinderäte ihre Bürgerinnen, und es entwickelt sich mit der Zeit bei den Bürgern eine erhöhte Bereitschaft, auf die Vertreter der Stadt mit Problemen, Interessen oder Vorschlägen zuzugehen und seine Meinung zu äußern. Somit fände ein dauerhafter Informationsfluss statt, was Teil des Konzepts der Bürgerorientierung sei. So haben sich in den letzten Jahren vielerlei Initiativen gefunden. Aktionen und Projekte gehen durch alle Altersgruppen und vereinen viele Interessengruppen. Ein Freiwilligenpass wurde ins Leben gerufen. 100 Gutscheine pro Jahr werden für Essen, Theater- und Kinoeintritt etc. vergeben, die von Geschäften, Firmen oder der Stadt gesponsert werden. Der Verein oder die Initiative entscheidet nach Erhalt eines Gutscheines, was damit geschieht oder wer ihn erhält. Dies können auch einzelne Personen sein, wobei bei der Vergabe durch die Stadt nur Gutscheine an pflegende Angehörige als Einzelpersonen angeboten werden. Bei dem Tu-Was-Tagebuch handelt es sich um ein Zertifikat für soziale Kompetenz, das für Jugendliche ausgestellt wird. Diese Dokumentation, wo und wie sich der- oder diejenige über ein Schuljahr hinweg engagiert hat, hilft bei Bewerbungen.

Beim Bürgerpraktikum bieten Institutionen wie der Kulturverein, aber auch industrielle Betriebe Praktikumsplätze an. Die einzelnen Jugendlichen oder auch ganze Schulklassen arbeiten an sozialen oder kulturellen Projekten mit, beispielsweise in der betreuten Altenpflege, in der Obdachlosenhilfe, im Theater etc. Anerkennung ist für Guido Wolf generell sehr wichtig. Er plädierte für einen neue Anerkennungskultur,

bei der deutlich wird, wie wichtig das bürgerschaftliche Engagement für die Gesellschaft ist. Auch fördert dies die Kommunikation zwischen Generationen und Gesellschaftsschichten. Die Bürger sollen mit all ihren Talenten und Fähigkeiten im Mittelpunkt einer Gemeinde stehen, ihre Wünsche und Ideen sollen von der Verwaltung ernst genommen werden.

Zu dieser Anerkennungskultur trägt auch die Zeitschrift BINGO (Bürger In Nürtingen bürGerschaftlich O rientiert) bei, da die öffentlichen Selbstdarstellungen und Berichte zur Würdigung und weiteren Motivation führen.

Die Wertschätzung, Würdigung und Weiterbildung seien somit die drei grundlegenden Begriffe der Nürtinger Anerkennungskultur. Die Weiterbildung sei mit kostenlosen Seminaren zu Themen wie Neugewinnung von Engagierten, Konfliktbewältigung usw. wichtig, um den Bürgern weiterzuhelfen, ihnen nicht nur die Aufgaben zu übertragen, sondern auch die Werkzeuge dazu mitzuliefern.

7 Workshops standen zur Wahl
In 7 moderierten Arbeitsgruppen sollte der Kontakt vertieft werden und der Austausch auch thematisch ausgerichtet stattfinden. So konnte unter der Überschrift "Neue Wege" mit Guido Wolf über seinen Vortrag diskutiert werden. In lockerer Runde konnte auch gezielt über die Probleme anwesender Engagierter gesprochen werden. So wurde die Wichtigkeit betont, dass die jeweiligen Projekte von der Gemeinde gewollt wären: Der Kampf einzelner Gruppen gegen die Kommune sei auf lange Sicht unrentabel. Die Kommunen seien aufgefordert, den Kontakt zu den Bürgern und den jeweiligen Initiativen zu suchen und sie zu unterstützen. Nur wenn BE in der Gemeindeverwaltung und bei den Bürgern verankert sei, könne es sich über Jahre hinweg sinnvoll entwickeln. Öffentliche Anerkennung, das Sich-Wieder-Finden in der Presse in Form von Berichten oder Reportagen sei sehr wichtig für die Motivation und sollte ebenfalls von der Verwaltung mit unterstützt werden. Die Teilnehmenden gaben allerdings zu bedenken, dass das Verhältnis zwischen Gemeindeverwaltung, Bürgermeister und Bürgern nicht immer so einfach zu gestalten sei. Als ebenfalls schwierig sieht Guido Wolf das Verhältnis von BE und Lokaler Agenda, da es zu vielen Überschneidungen in den Bereichen kommt. In Nürtingen wurde daher beschlossen, alles unter BE laufen zu lassen, um es besser bearbeiten zu können.

"Verwaltung braucht Ideengeber" unter diesem Motto leitete Werner Kiko, Bürgermeister a. D. aus Eisingen den Workshop Kommunalpolitik und BE. Er informierte zunächst über die kommunale Selbstverwaltung, meinte aber auch, dass viel neu entstehen könnte, wenn externe Ideengeber ihre Gedanken einbringen könnten. Sie besäßen eine Anstoßfunktion und könnten einiges in den Gemeinden verändern, wenn die Verwaltung bereit wäre, ihnen Beachtung und Möglichkeiten der Verwirklichung zu geben. Umgekehrt gelte für die Bürgerinnen: "Wer sich nicht einbringt, darf sich auch nicht beschweren!" Der Zeitpunkt für das Vorbringen eines Anliegens sei äußerst wichtig, damit die Chancen für das Projekt hoch seien. Günstig sei es vor allem im Vorfeld der Haushaltsberatungen. Außerdem sollte versucht werden, Probleme oder Lösungen so einzubringen, dass sie zur Sache der Entscheidungsträger werden und somit von ihnen unterstützt werden.

"Immer die Gleichen?" oder: "Wie finden sich neue Engagierte?", fragten sich 15 Teilnehmer und Teilnehmerinnen. Unter der Leitung von Gabriele von Jan wurde zunächst auf die eigenen Erfahrungen, auf die eigene Persönlichkeiten als Engagierte eingegangen. Viele äußerten sich durchaus selbstkritisch: Sei es die Vertretung nach außen, sei es das Gefühl, alles hänge von einem selbst ab - oft sei man selbst mitverantwortlich, wenn sich eben keine neuen Engagierten finden ließen. Engagierte müssen lernen, auch einmal "Nein" sagen zu können. Den Gedankenaustausch innerhalb der Gruppe fanden alle sehr wichtig, da jeder sah, dass es anderen ebenso ergehe. Als Ergebnis konnte festgehalten werden, dass sich neue Engagierte vor allem durch die ansteckende eigene Euphorie motivieren lassen - aber manchmal auch durch das eigene loslassen können.

Im vierten Workshop trafen Erwachsene mit Jugendlichen aus Neulingen zusammen (deren "Musterhaftigkeit" später betont wurde). Die Jugend könne nicht für die klassischen Vereinstrukturen gewonnen werden, sondern sei eher für Projektmitgestaltung zu begeistern, so eine Jugendliche. Sie wünschte sich, dass die Gemeindeverwaltung mehr auf die Jugendlichen zugehe und mit ihnen projektbezogene Arbeit durchführe. Die Erwartungen seitens der Jugendlichen wären die Imageaufbesserung und jemanden für eine direkte Ansprache bei Konflikten, um nicht erst über den Gemeinderat zum Ziel zu kommen. Das Wichtigste sei hier die Kommunikation zwischen den Generationen, so Ralph Gerster, Hauptamtsleiter der Gemeinde Illingen. Außerdem äußerte er Verständnis, wenn die Jugendlichen nicht "eingebunden" werden wollten, sondern lieber die "Zusammenarbeit" suchten.

"Darf's ein bißchen mehr sein..?" fragten sich die Teilnehmer der fünften Arbeitsgruppe und sprachen darüber, wo man Anerkennung erfahren kann. Die Aufzählung reichte von eigenen Erfolgen (dass die Kasse stimmt z.B.), vergünstigten Eintritten, über Patienten, Fachkräfte und andere Ehrenamtlichen bis zu einem Händedruck oder der ehrlichen Wertschätzung in einem Gespräch. Als wichtigstes wurde die Wertschätzung durch Ernstnehmen des Engagements betrachtet, da die Engagierten daraus neue Kraft gewinnen können und sich selbst etwas zutrauen. Fort- und Weiterbildung könnten zu einem solchen Selbstvertrauen beitragen.

Gerade mit Fortbildungen beschäftigte sich der sechste Workshop unter Leitung von Erna Grafmüller. Es wurde diskutiert, welche Fortbildungen für Engagierte wichtig seien. Rhetorik war ein wichtiger Themenbereich, um andere von der eigenen Ideen überzeugen zu können, gut argumentieren, schwierige Gesprächssituation, beherrschen und vor Gremien, bei Begrüßungen oder Vorträgen frei sprechen zu können. Kontakte zu gestalten war ein weiteres Thema, wobei es sich hier hauptsächlich um den Pflegebereich drehte und Fortbildungen unter den Themen Umgang mit alten und kranken Menschen, Verständnis von Helfen, Grenzen des Helfens, Kommunikation mit älteren Menschen und Fachwissen über Demenz, Alzheimer und Schlaganfälle handelte. Auch wurde das Interesse an Seminaren über Mitgliederfragen geäußert, wie z.B. in einem Verein Transparenz hergestellt werden kann oder wie er sich in der Öffentlichkeit präsentiere, was den Verein attraktiv mache und welche Aktivitäten zum Wohlfühlen in einem Verein führen.

Attraktivität des Vereins, des Projekts, der Initiative standen im Mittelpunkt des siebten Workshops. "Werbung, Öffentlichkeitsarbeit und PR" lautete die Überschrift und die Referentinnen, Andrea Katz und Stefanie Frey, wurden mit Fragen und Diskussionsbeiträgen überhäuft. Das ausführliche Skript zum Thema kann - zum intensiven Durcharbeiten - im Landratsamt (Evelyn Ochs und Jürgen Hörstmann) angefordert werden.

Mit Berichten über die Workshops im Plenum konnte ein Einblick in alle an diesem Tag besprochenen Bereiche gewonnen werden. Kommunikation und Kennenlernen anderer Engagierter waren für alle sehr positiv verlaufen, es waren interessante Gespräche entstanden und vielleicht sogar einige Kontakte. Auf jeden Fall konnten neue Erkenntnisse gewonnen und verschiedene Menschen zusammengebracht werden. Ein kleines Präsent konnten alle mit nach Hause nehmen: Einen Kaktus. Kommentar einer Teilnehmerin: "..........die senn ideal für die Ehrenamtliche, die vertrocknet net, wenn mer net daheim isch!!!!"

 

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